VI.2 Anmerkungen zum Anfängerpraktikum
Das Gyroskop ist ein hervorragendes Gerät zur Untersuchung der Kreiselbewegung. Jeder reagiert beim ersten Kontakt überrascht, vor allem bei der Beobachtung der Überlagerung von Präzession und Nutation und auch bei den isoliert betrachteten Bewegungsformen oder beim Spüren der seitlichen Kraft bei Führung des Kreisels mit der Hand.
Auch die Addition der Drehimpulse, also das "gewöhnliche" Verhalten des Gyroskops bei zwei gegensinnig rotierenden Kreiselscheiben verwundert.
Als unentbehrlich zum Verstehen und Einprägen der Phänomene halte ich die Visualisierung der momentanen Drehachse. Da dies beim Gyroskop nicht möglich ist, steht hierfür der oblate Kreisel (vgl. II.1.2 Kapitel "Kreiselmodelle") mit Farbscheibe zur Verfügung. An diesem Kreisel - der auch eher dem bei dem Wort "Kreisel" assoziierten Gerät entspricht - können Nutation und Präzession noch einmal beobachtet werden: Nun als Bewegungen um die ungefähr gleiche Achse (die Vertikale) - mit stark unterschiedlichen Winkelgeschwindigkeiten (W Prä << W Nut).
Einfache Spielkreisel, der Stehaufkreisel, das ‘Levitron’ oder der sog. ‘Handtrainer’ können ebenfalls demonstriert werden.
Die sich anschließenden Messungen am Gyroskop können mit einfachsten Hilfsmitteln (Schieblehre, Zollstock und Stoppuhr) durchgeführt werden, was die Akzeptanz der Meßwerte vergrößert. Mit der notwendigen Sorgfalt können zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden.
Die erste Messung des Trägheitsmomentes I3 erfolgt über die Energieerhaltung - elementares Wissen wird somit mit dem Trägheitsmoment und der Kreiselbewegung verknüpft.
Wichtig fände ich, die derzeit bestehenden Versuche im Anfängerpraktikum zum Thema Trägheitsmoment zu verbinden: Durchführung beider Beschleunigungsexperimente - die ja in einem (gleichzeitige Messung von Fallzeit und Endgeschwindigkeit) durchgeführt werden können und Messung der Trägheitsmomente I3 und I1 anhand der Drehschwingung.
Diese Versuche könnten - zusammen mit der Messung der zweidimensionalen "Trägheitsellipse" (Versuch im derzeitigen AP) - verbunden mit einem "spielerischen" Umgang mit dem Gyroskop (als Versuche einer ersten Sitzung) die tatsächlichen Kreiselversuche in einer anschließenden Sitzung einleiten.
Auf diese Weise könnte das Verständnis und das Wissen über Rotationsbewegungen, motiviert und erleichtert durch einen ersten Kontakt mit dem Kreisel und seiner Bewegungsformen, innerhalb der zwischen den zwei Terminen liegenden Zeit gefestigt werden.
Falls Kamera und Fernseher zur Verfügung stehen, könnte neben der Existenz auch die Lage der momentanen Drehachse am oblaten Kreisel gefilmt und gesehen werden.
Den Praktikanten müßte viel mehr Zeit gelassen werden, damit Sie sich ausführlich mit einem Versuch - der Theorie, dem Aufbau und der Durchführung - beschäftigen können. Dies schließt eine Reduzierung der Anzahl der Versuche ein, damit nicht aus Zeitmangel zwei Versuche pro Tag durchgeführt werden müssen. Das angebotene "Projekt - Praktikum" halte ich für einen guten Ansatz.