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Kommunikation als zur Rationalität komplementärer Aspekt

Bevor wir die Kommunikation zwischen Individuen und ihre Wirkung auf diese selbst untersuchen, will ich an einem Beispiel noch einmal die Effekte der Kommunikation in einem rein `zweckrationalen Subsystem' verdeutlichen. Dieses Beispiel ist als `Prisoner's Dilemma' in der Spieltheorie bekannt, und wird in verschiedenen Fachdisziplinen als metaphorische Verdeutlichung für Kooperationsverhalten untersucht:28

Angenommen, zwei Spielteilnehmer a und b haben die Wahl zwischen zwei verschiedenen Zuständen: a1, a2 für a; b1, b2 für b. Die Kombination ihrer Zustandswahl wird gemäß der folgenden Tabelle für die Spieler verschieden mit Punktgewinn belohnt oder Punktabzug bestraft (die jeweils erste Zahl in einer Tabellenzelle gibt den Punktgewinn bzw. -verlust für Spieler a an, die zweite den für b):



  b1 b2
a1 5, 5 -5, 8
a2 8, -5 -3, -3


Man kann also sagen: Wählen beide Spieler den Zustand 1, so werden sie beide belohnt, nicht so sehr jedoch wie der Spieler, der bei Wahl des ersten Zustandes durch seinen Gegenüber, den zweiten wählt. Wählen aber beide den zweiten Zustand (vielleicht jeweils in der Hoffnung, der andere werde den ersten wählen), so werden beide mit Punktabzug bestraft.
Überträgt man diese Situation auf moralische Kategorien (geht man also davon aus, daß beide wissen, was ihnen und dem jeweils anderen nützt und schadet), läßt sich sagen: Kooperieren beide Spieler ((a1,b1)) so gewinnen beide, es bleibt jedoch die Verlockung des `Betrugs', auf Kosten des anderen Spielers mehr Punkte zu sammeln ((a1,b2),(a2,b1)), die sich jedoch bei beiderseitigem Betrugsversuch als Verlust ((a2,b2)) für beide erweist.
Diese mathematische Analogie zeigt die Grundprobleme menschlicher Interaktion auf: Kooperation ist nur in wechselseitigem Einvernehmen und unter Verzicht der Vorteilnahme auf Kosten des Anderen möglich.29 Vom zweckrationalen Standpunkt ist eine Lösung nicht möglich, da eine Vorhersage vom Typ `Ich denke, daß er denkt, daß ich denke...' unter Einbeziehung aller Ebenen ins Unendliche rekurrieren muß. Allenfalls die Minimierung des möglichen Punktabzuges, die die Wahl von Zustand 2 zur Folge hat, könnte als `vernünftig' bezeichnet werden. Diese Wahl hat aber, wenn der Gegenüber ebenso vernünftig ist, die ungünstigste Gesamtkonfiguration zur Folge. Was also aus dem Dilemma führen könnte, wäre eine Absprache zwischen Spieler a und Spieler b, die die beidseitige Wahl des Zustandes 1 erklärt. Damit sind wir beim zweiten Grundproblem: Welche Merkmale muß Kommunikation aufweisen, um in dieser und ähnlichen Situationen erfolgreich zu sein, sprich: zu Kooperation zu führen?


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Tim Paehler
1999-03-23