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Unersetzbarkeit von Kommunikation und Mündigkeit

Was wir im Beispiel des Gefangenendilemmas gesehen haben, läßt sich trotz der vollzogenen Vereinfachung auf die Grundzüge menschlichen Zusammenlebens übertragen: Kommunikation ist durch keine Form herrschaftlicher oder zweckrationaler Differenzierung substituierbar. In der Informationstechnik der `offenen Systeme' findet dieser Grundsatz z.B. seine Entsprechung in der Einrichtung von Kommunikationsschnittstellen, an denen möglichst frei wählbare Einheiten `andocken' können. Die prinzipielle Unvorherbestimmbarkeit von Zuständen läßt hier ebenso wie anderswo nur eine dynamische Behandlung von Ereignissen zu.
Übertragen auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft müssen auch dort an vielen Stellen Kommunikationsschnittstellen eingerichtet werden; und zwar solche, die Kommunikation erlauben, welche über die `Alles-oder-nichts'-Entscheidungen auf Existenzebene (Wahl des Produktes durch den Konsumenten, Wahl der Regierung durch den Wähler) hinausgehen. Denn die kommunikative Differenzierung muß im gleichen Maße fortschreiten, wie die zweckrationale Differenzierung - selbiges gilt für die subjektive Differenzierung (was eine Bildung vor allem im Sinne von Erziehung zur Mündigkeit notwendig macht).
Die Notwendigkeit von Kommunikation und Mündigkeit kann man über diese Herleitung hinaus auch mit Habermas als natürliches Telos der Menschheit voraussetzen:

`Das Interesse an Mündigkeit schwebt nicht bloß vor, es kann a priori eingesehen werden. Das was uns aus Natur heraushebt, ist nämlich der einzige Sachverhalt, den wir seiner Natur nach kennen können: die Sprache. Mit ihrer Struktur ist Mündigkeit für uns gesetzt. Mit dem ersten Satz ist die Intention eines allgemeinen und ungezwungenen Konsensus unmißverständlich ausgesprochen.'49

Nochmals erwähnenswert ist zudem sicherlich die Notwendigkeit der kommunikativen Lösung von zwischenmenschlichen Spannungen anstelle der Projektion dieser auf ein Subjekt. Diese hat zwangsläufig die in [#!WBJ69!#] beschriebene wechselseitige Attributierung des Subjektes mit Boshaftigkeit und Verrücktheit zur Folge und vermindert die kommunikative Lösbarkeit des Problems weiter.


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Tim Paehler
1999-03-23