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Die Entwicklung der modernen Logik zu Beginn dieses Jahrhunderts hatte
das ehrgeizige Ziel, jede erfaßbare Wahrheit unter Benutzung eines
logischen Kalküls beweisbar zu machen. So sollte sich jeder
überprüfbare Satz mittels einer vorher festgelegten Menge von Axiomen
sowie den elementaren logischen Regeln beweisen oder widerlegen
lassen. Ein Problem stellte sich jedoch bei Aussagen, die sich auf
ihren eigenen Inhalt bezogen. So ist z.B. die Aussage `Diese Aussage
ist falsch' mit den Mitteln der Prädikatenlogik sowohl beweisbar als auch
widerlegbar, sie bildet also eine Unentscheidbarkeit oder einen Widerspruch.
Um derartige (als pathologisch betrachtete) Fälle zu vermeiden, stellten
Russell und Whitehead in den `Principia Mathematica' (P.M.) eine
`Typentheorie' auf, die durch Hierarchisierung der Aussagenebenen
verbot, daß Aussagen auf ihren eigenen Inhalt Bezug nehmen. Der Mathematiker
Hilbert forderte daraufhin in dem nach ihm benannten Programm, die Mathematik
als vollständiges und widerspruchsfreies System der P.M. zu beweisen. Kurt
Gödel bewies aber seinerseits, daß gerade dies nicht möglich ist:
`Im einunddreißigsten Jahr jedoch veröffentlichte Gödel seine Arbeit, die
in gewisser Weise Hilberts Programm völlig zerstörte. Sie zeigte nicht nur,
daß es in dem axiomatischen System Löcher gab, sondern allgemeiner, daß
überhaupt kein axiomatisches System welcher Art auch immer alle Wahrheiten
der Zahlentheorie produzieren kann, außer wenn es in sich widerspruchsvoll
ist! Und schließlich erwies sich die Hoffnung, die Widerspruchsfreiheit eines
Systems wie des der P.M. zu beweisen als eitel: Wenn ein solcher Beweis unter
ausschließlicher Verwendung von innerhalb der P.M. verwendeten Methoden
gefunden werden konnte, dann - und dies ist eine der verblüffendsten Folgen
von Gödels Arbeit - wäre P.M. selbst widerspruchsvoll!'12
Der Sachverhalt, daß formale Systeme entweder unvollständig oder
widerspruchsvoll sind, ist also fundamental.
Die praktische Bedeutung dieses auf den ersten Blick spitzfindig
anmutenden Problems wird deutlich, wenn man zeigt, daß Gödels Satz
äquivalent zu einer Aussage ist, die als Konsequenz hat, daß es
unmöglich ist, ein Computerprogramm zu erstellen, das mit Sicherheit
die Fehlerhaftigkeit eines anderen Programms zu erkennen
vermag.13 Der Absturz eines Rechners oder elektronischen Bauteils, dem
man eine gewisse Komplexität zumutet, ist also prinzipiell niemals vermeidbar.
Bedeutsam ist dieses Faktum aber auch für die menschliche Kommunikation,
wie wir im zweiten Abschnitt noch sehen werden.
Abbildung:
Problem des Rationalismus: Zu jedem System, das Reflexion erlaubt, gibt es gültige reflexive Prozesse, deren Produkt außerhalb dieses Systems liegt.
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Tim Paehler
1999-03-23