`Und darum - denke ich - ist es richtig, stärker die Schülerinnen und
Schüler, ihre Lernbedürfnisse und Lernmöglichkeiten in den Vordergrund zu
rücken, und die Schule und ihre Aufgaben von hier aus neu zu definieren.'22
Im Hinblick auf 2 (a) und (b) will man dabei vor allem die Verwaltung
reduzieren bzw. auf die Träger `vor Ort' übertragen. Es soll also nicht nur
dem Schüler größere Freiheit in seinem Lernprozeß eingeräumt werden, sondern
auch - folgerichtigerweise - seinem direkten Umfeld, den Lehrern und der
Schule. Der Beziehung zu den Lehrern als Erziehungspersonen wird dabei eine
stärkere Rolle eingeräumt:
`Mündigkeit als Zielvorstellung pädagogischen Handelns - verstanden als
Verbindung von Selbstbestimmung und Verantwortungsübernahme - verlangt ebenso
wie die Natur des pädagogischen Handelns selbst nach Gestaltungsfreiheit,
verlangt nach einer mündigen Schule. Erziehungsprozesse beruhen vor allem
auf persönlicher Begegnung, und sind ohne Eigenanteil der jeweiligen
Schülerin, des jeweiligen Schüler nicht möglich. Deshalb gelingen
Erziehungsprozesse nur in jeweils unterschiedlicher, personengebundener
Form.'23
Grundlage für die stärkere äußere Autonomie ist dabei allerdings ihre höhere innere Differenzierung, deren Realisierung sich in der Verpflichtung zu einem Schulprogramm niederschlägt, das bis zum Jahr 2000 jede Schule in NRW entwickelt haben soll.24 Diese Differenzierung der Schulen schlägt sich nun in mehrfacher Hinsicht auf die Entwicklung der Oberstufen-Lehrpläne der einzelnen Fächer nieder bzw. sie geht mit Maßnahmen einher, die durch diese begünstigt werden:25
`Ein wichtiger Aspekt für den Mathematikunterricht ist, dass die Lernenden nicht mit ``fertiger'' Mathematik konfrontiert werden. Dazu kann beitragen, dass Lehrende und Lernende laut denken. Äußerungen dürfen sich auch auf
[...]
Die Betonung des reflexiv-kommunikativen Zugangs zum Fach sowie die
ausdrückliche Aufforderung zur Kritik korrespondieren insofern mit den
obigen Formulierungen des Bildungsbegriffs, als sie so dem Subjekt die
Möglichkeit einräumen, intersubjektiv subjektbezogene und objektbezogene
Erkenntnisse zu überprüfen und anzugleichen.
Eine weitergehende kritische Würdigung des (nach 2 (c) und (d) zu überprüfenden) Ausmaßes von Verwissenschaftlichung und Instrumentalisierung von Schulunterricht findet jedoch nicht statt. Ihre Notwendigkeit wird offenbar a priori angenommen (bzw. als faktisch gesellschaftlich relevant erkannt), dient also als Hintergrund für weitere Ausführungen.34 Bei Hartmut v. Hentig wird dieser Hintergrund dagegen zur Figur, an der sich damit Kritik vornehmen läßt.