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Newton: Vereinigung von irdischer Mechanik und Himmelsmechanik

Um das durch die zahlreichen Angriffe brüchig gewordene aristotelische Weltbild nun vollends durch ein moderneres Weltbild zu ersetzen, mußten im wesentlichen die Ansätze von Kepler zur Himmelsmechanik mit den Ergebnissen Galileis zur irdischen Mechanik verbunden werden, wobei den jeweils kinematischen Beschreibungen der vormals getrennten Bereiche eine gemeinsame Physik zugrundegelegt werden mußte. Dies gelang bekanntermaßen Isaac Newton (1642 - 1727), dessen 1687 erschienenen Philosophiae naturalis principia mathematica vielfach als das bedeutendste Werk in der Wissenschaftsgeschichte überhaupt angesehen werden.
In diesem stellt er zunächst seine bekannten drei Axiome auf und leitet aus ihnen im folgenden die Kraft her, die notwendig ist, um einen Körper auf einer Kreisbahn zu halten. Newton nimmt dann an, daß die Gravitationskraft genau diese Zentripetalkraft ist, die z.B. die Planeten auf ihrer Bahn um die Sonne hält. Mit Hilfe des dritten Keplerschen Gesetzes, das die Quadrate der Umlaufzeiten proportional zu den Kuben der Umlaufzeiten setzt, erhält er nun die reziprok quadratische Abhängigkeit von der Entfernung und damit das Gravitationsgesetz. Experimentell überprüft er seine Theorie durch Messung der Gravitationskraft auf der Erde mittels eines Pendels und der Berechnung der Kraft, die notwendig ist, den Mond auf seiner Bahn zu halten.
Die Tatsache, das dieses Vorgehen heute das übliche im Schulunterricht der Oberstufe ist, verschleiert, welche Genialität und Anstrengungen notwendig waren, um ein komplettes, stimmiges Weltbild zu schaffen, in dem sämtliche vorangehenden Entdeckungen eine theoretische Grundlage bekamen, die den vorhergehenden Vorstellungen radikal widersprach. Allein die Tatsache, daß Newton zur Entwicklung seiner Theorie, die Infinitesimalrechnung, den Grundstock der modernen Analysis, erfinden mußte, macht den gewaltigen Fortschritt deutlich, den sein Werk bedeutet.

Dieser kurze Blick in die Wissenschaftsgeschichte ist bereits eine stark vereinfachte Sicht der Entwicklung, macht aber dennoch klar, daß eine Wissenschaftstheorie, die den wissenschaftlichen Fortschritt ohne Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten beschreibt, es schwer hat, den Fakten gerecht zu werden. Deshalb soll im folgenden mit Kuhns Wissenschaftstheorie ein historisch fundierter Ansatz vorgestellt und mit der rationalistischen Theorie verglichen werden.


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Tim Paehler
1998-10-04